Engel spielen, 2015

[...]Und da es oben sowieso schöner ist als unten, wo es immer dunkel ist, feucht und etwas modrig, kämmen wir sie, spinnen wir sie und flechten daraus dichte Gespinste um Engel spielen zu können.“ Diesem Satz, aus einem eigenen Text Alexander Königs für seine vor 2 Jahren stattgefundene Ausstellung „Schwester September“, ist der Titel der aktuellen Ausstellung des Künstlers entlehnt. Er mag als Anleitung dienen, sich seinen Arbeiten anzunähern.

Alexander Königs Arbeiten, wie sie bisher vorliegen, offenbaren, wie schon der Eingangs benutzte Satz zeigt, einen Hang zu gebrochenem, fast tragischem Pathos. Menschenähnliches und Animalisches findet sich hier zusammen wie um sich selbst und gegenseitig seiner Existenzialität zu versichern. Dabei ist diese Existenzialität hochgradig kreatürlich gedacht, sie kommt aus dem Malmaterial, ist in diesem gebunden und erhebt sich dennoch daraus. Existenzialität ist evident in diesen Bildern, denn es beschreibt eine Notwendigkeit, nicht wie Existenz eine bloße Tatsache, denn eine Existenz ist diesen Bildern nur in ihrem materiellen Vorhandensein eigen. König schafft dabei keine Bilderzählung im Sinne einer Anekdote oder nachvollziehbaren Geschichte innerhalb der Szenerien. Vielmehr gilt im der malerisch offene situative Aspekt. Die Bilder bleiben ohne Vorher und Nachher, sie sind herausgelöst aus jeder Art linearem Handlungsstrang und gewinnen hieraus ihren postulativen Charakter, der sich gleichzeitig aus der malerischen Form und der in ihr gebundenen Figuration speist.

Die Arbeiten Königs zeigen dabei eine zutiefst humanistische Sicht: sie reflektieren eine Spannung zwischen Anspruch und Wirklichkeit, wie sie menschlicher Natur und menschlichem Handeln gerne eigen ist: Der Suche nach dem Vollkommenen, mit der Ahnung seiner Nichteinlösbarkeit, aber möglicherweise mit katastrophalen Folgen. Denn niemand hindert uns, Unvollkommenes, sogar Verderbtes zu nehmen und zur Vollendung zu erklären. Wir können Engel spielen, in Ermangelung eines Besseren. Diese Deklarationfähigkeit ist das, was Alexander König in seinen Bildern aufgreift. Königs Bilder müssen Postulate sein. Jedes für sich, jedes potenziell fehlbar. Und jedes hat genau darin ein Stück Vollkommenheit.

Viktor Wendt, Berlin, 2015

Schwester September, 2013

Licht. Oder besser ist keines. Licht scheint nur das glaubhaft machen zu wollen, was sonst keine Kontur gewinnt. Also noch mal von vorne:

Wo beginnen wir, Schwester? Wollen wir unsere Suppe kochen? Sagt P.. Aber wir kochen bereits in unserer Suppe unser eigenes Fleisch von den Rippen und pökeln es, dass es lange ungenießbar und unfruchtbar bleiben soll. Das Jahr beginnt erst und die Reise ist noch lang, so werden wir uns in Autotrophie üben.

Schwester! Wie haben wir Bäumchen-wechsel-dich spielen können, wenn du und ich doch beide noch nicht unter Mutters Rock hindurch die Körner sehen konnten und sie tauschen gegen das Gift, dass unmerklich aus ihnen kroch? Zumindest glaubten wir das. Und wir warfen sie, in Gedanken, eins ums andere mal. Hoben sie auf, sammelten sie und vergoldeten sie. Hast du sie eingepackt? Hast du sie zum Pökel getan? Ich kann sie nicht mehr finden. Vielleicht habe auch ich sie. Oder ich hatte sie. Wenn, dann habe ich sie versetzt für ein kurzes Vergnügen mit langen Schwingen. Und letztlich soll es keinen Unterschied machen, denn wir haben zusammen nur ein gemeinsames Leben und Ballast ist hier genug - und Gold sowieso. Natürlicher Reichtum, dachten wir, und meint die Schätze, die, wenn sie aus dem Bauch gekrochen kommen oder aus dem Unterleib, schwarz sind und stachelig. So stellte man es sich nicht vor. Also wieder golden. Und da es oben sowieso schöner ist als unten, wo es immer dunkel ist, feucht und etwas modrig, kämmen wir sie, spinnen wir sie und flechten daraus dichte Gespinste um Engel spielen zu können.

Schwester! Heb dein Kleid. Es gibt nichts, das dir nicht vertraut ist und ich nicht kennen möchte. Noch ist es warm, noch ist es Sommer und der See lockt. Am Abend werden wir gehen und die Hunde füttern.

A.K. 2013

Die Geister, 2009

Dann und wann gießt der dicke Alte das Wasser in einem Schwall in den Rinnstein, dann bilden sich die Dickichte und Geäste, die Berge und die Gesichter und es gurgelt und gluckst, dass Hirsch und Hase sich unter seinem roten Mantel verstecken müssen. Das Gitter auf dem Kopf hindert sie am weglaufen und umgibt sie mit einem Schimmer aus grünlich weißem Plankton. Es geht nicht ohne Schreien, auch in der absoluten Ruhe. Das sich-Ergeben ist eines, aber damit beginnt die Heimsuchung erst und nistet sich ein.

Manche Gärten sind so weit, dass der Blick sich selber wieder trifft, bevor er sich am Haag festklammert. Dort hinter den Hecken schneidet einer die Triebe und singt dabei. Er sieht aus wie ein Betender am Fenster, dessen goldene Schleifen über dem weißen Leinenhemd in der kühlen Frühsommerdämmerung erscheinen wie Kinder, die sich noch verstecken, wenn die Eltern sie zum Essen rufen. Um seine Schultern liegt ein dunkler Fellmantel, aus dem die Tannen wachsen für den Abend. Doch der Jüngling wendet sich zu und man sieht, dass das lange braune Haar geschoren und das Gesicht vorgeschnallt ist, denn dahinter ist nur Holz. Er steht nun da wie angewurzelt und alles Schreien und die Stille hilft nichts mehr, aber er ist da und plötzlich viel größer als man ihn sich vorgestellt hat in der Fantasie. Dann stellt er sich unter die Palmen und erzählt von der Zeit, als er noch heilig war und das Gitter auf dem Kopf ihn noch nicht am Weglaufen hindern konnte. Er gibt seinem Gehilfen Anweisungen und lockt sich selbst einen Reigen aus dem Geweih. Dafür, dass er nicht wirklich und 500 Jahre alt ist, macht er das erstaunlich gut, da gibt es nichts zu beanstanden, auch für heutige Anforderungen. Er ist er an Erscheinungen gewöhnt und kann auch über seine eigene verfügen. Wenn er schläft, schläft er oder wacht, oder wacht und wacht dabei oder schläft. Er kann sein Gesicht zu vielen machen und ein Bein zu keinem. Es fallen ihm Netze aus dem Mund und Pferde aus den Haaren und den Zweifelnden dreht er den Hals um. Die Gläubigen jedoch belohnt er und zeigt ihnen die Vollkommenheit. Sanftmut ist seines nicht, dafür atmet er zu tief ein in seiner Silhouette. Dann sind die Gedanken anderswo und umsorgen die Gewächse, die nachts mit fahlen Trieben den Haag bewuchern, den er am Tag säubert.

A.K. 2009